21. November 2022 | Welche rechtlichen Maßstäbe gelten bei Werbeaussagen zu nachhaltigen oder „grünen“ Anlageprodukten? Aufschluss gibt ein aktuelles Urteil des Landgerichts Stuttgart. Zu beachten sind grundsätzlich nicht nur die EU-Offenlegungs- und die Taxonomie-Verordnung, sondern auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.
Welche rechtlichen Maßstäbe gelten bei Werbeaussagen zu nachhaltigen oder „grünen“ Anlageprodukten? Aufschluss gibt ein aktuelles Urteil des Landgerichts Stuttgart. Zu beachten sind grundsätzlich nicht nur die EU-Offenlegungs- und die Taxonomie-Verordnung, sondern auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.
Sachverhalt
Ein Investmentfonds wurde als nachhaltiges Investment im Sinne der Offenlegungs-VO sowie der Taxonomie-VO aufgelegt, vertrieben und im Internet beworben.
Tatsächlich warb der Investmentfonds auf seiner Internetseite mit einem von der Investitionssumme abhängigen „CO2-Ausgleich“ in Höhe von 3,5 t je 10.000 Euro Anlagevermögen. An anderer Stelle der Website hieß es dagegen, es sei Ziel für den Anleger einen CO2-Ausgleich von mindestens 3,0 t je 10.000 Euro investiertem Kapital zu erreichen. In einem separat zum Download stehenden Informationsmemorandum zum Fonds bezeichnete die Beklagte den messbaren Beitrag zur Erreichung von Umweltzielen lediglich als unverbindliches Anlageziel. Gleichzeitig warb die Beklagte damit, dass Anleger ihren persönlichen CO2-Fußabdruck – und dessen Reduktion durch ein Investment in den Fonds – mit einem speziellen interaktiven Rechner auf der Webseite berechnen könnten.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagte auf Unterlassung dieser Werbeaussagen zur positiven ökologischen Wirkung des Fonds wegen unwahrer Angaben über wesentliche Merkmale des Fonds und unzulässigen irreführenden geschäftlichen Handlungen i.S.v. unlauterem Wettbewerb.
Urteil
Das LG Stuttgart gab der Klage statt und bejahte klägerische Unterlassungsansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs. Die Werbung der Beklagten auf der Internetseite sei unlauter im Sinne des § 3 Absatz 1 UWG, da sie irreführende Werbung nach § 5 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 UWG darstelle.
Die Angabe einer absoluten CO2-Reduktion von 3,5 t bzw. eines CO2-Ausgleiches von 3,5 t sei eine zur Täuschung geeignete Angabe im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 UWG, da die angesprochenen Verkehrskreise diese Angaben als fixe Werte begreifen, obwohl es sich hierbei tatsächlich um Zielwerte handelt, die auch erheblich unterschritten werden können.
Grundsätzlich ist eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Mögliche Bezugspunkte der Irreführung sind nach § 5 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 UWG wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung. Dabei kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH Urteil vom 21.09.2017 Az. I ZR 53/16; BGH Urteil vom 18.09.2017 Az. I ZR 65/12). An die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen sind ähnlich wie bei Gesundheitswerbung besonders hohe Anforderungen zu stellen. Denn sie sind in besonderem Maße geeignet, die Kaufentscheidung des Kunden zu beeinflussen. Außerdem bestehe über die Begrifflichkeiten weitgehend Unklarheit und damit sei die Irrtumsgefahr besonders hoch („Strengeprinzip“).
Im konkreten Fall wertete das Gericht die (versehentlich) divergierenden Informationen über wesentliche Produktmerkmale – wie die konkrete Höhe der CO2-Vermeidung bei einem umweltfreundlichen Fond – als unlauteres Vorenthalten von Informationen § 5a Abs. 2 Nr. 2 UWG. Es genüge nicht, eine Richtigstellung der Werbeaussage in einem separat zum Download bereitgestellten Dokument ohne besondere Hervorhebung zu platzieren.
Bei Werbeaussagen bezüglich Umweltaspekten komme es ausschlaggebend auf deren wahrnehmbare Relativierung an, wenn sie ohne entsprechenden Hinweis geeignet seien einen falschen Anschein zu erwecken. Hinsichtlich der angegebenen CO2-Reduktion gehe von den verwendeten Zahlen ohne Relation wie „ca.“ eine absolute Aussagekraft aus. Starre Werte ohne Relation würden demnach vom Verbraucher als verbindlich angesehen und beinhalteten einen klaren Aussagegehalt, der sich am Maßstab des UWG messen lassen müsse.
LG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2022 – 36 O 92/21 KfH
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