Quo vadis FinVermV?

 

 

 

GoingPublic, Special Kapitalmarktrecht 2019, S. 60f. – 02.03.2019
von Dr. Matthias Gündel und Christina Gündel

Ein Jahr später als geplant hat das Bundeswirtschaftsministerium schließlich Anfang November 2018 den Entwurf für eine novellierte Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) vorgelegt und bis Ende November Stellungnahmen der Interessenverbände entgegengenommen. Angeblich soll nun am 15. März 2019 im Bundesrat darüber abgestimmt werden.

Die Novelle wird regeln, welche Vorschriften der seit Anfang Januar 2018 geltenden EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II künftig auch für Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) gelten. Denn – anders als für KWG-lizenzierte Anlageberater von Banken oder anderen regulierten Finanzinstituten – gelten für freie Vermittler bislang nach wie vor die Regeln, die schon vor Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie in Kraft waren.

In der Branche umstritten sind vor allem die verschärften Dokumentationspflichten – insbesondere die geplante Aufzeichnungspflicht für Telefonate und jegliche elektronische Kommunikation wie auch ein Inkrafttreten ohne Übergangsfrist.

Telefonaufzeichnung/ „Taping“

Wie KWG-Institute und Banken sollen Finanzanlagenvermittler jetzt dazu verpflichtet werden, ihre Kundengespräche mit Orderbezug telefonisch aufzuzeichnen und zu speichern. Das gilt nicht nur für Telefonate, sondern für jegliche elektronische Kundenkommunikation – sogar dann, wenn es nicht zum Geschäftsabschluss kommt. Ziel und Zweck ist die Beweissicherung. Aufzeichnungen müssen auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen, gegen nachträgliche Verfälschung und unbefugte Verwendung gesichert sein und fünf Jahre (sofern aufsichtsbehördlich für erforderlich gehalten: sieben Jahre) aufbewahrt – sowie danach gelöscht werden. Vorab müssen Anleger/Kunden über die Aufzeichnung informiert werden. Persönliche Gespräche dürfen auch schriftlich dokumentiert werden.

Vertrieb nur an Zielmarkt-Kunden

Ebenfalls neu: Finanzanlagenvermittler sollen künftig nicht nur verpflichtet sein, Informationen zum Zielmarkt einzuholen, sondern sie dürfen ihre Produkte – ohne Ausnahme – ausschließlich an Zielmarktkunden vertreiben.

Erhöhte Informationspflichten zu Kosten und Risiken

Rechtzeitig vor Abschluss eines Geschäfts muss der Vermittler dem Anleger nun alle Informationen zur Verfügung stellen, die „nach vernünftigem Ermessen erforderlich sind, damit der Anleger Art und Risiken versteht und seine Anlageentscheidung treffen kann“. Das betrifft Finanzanlagen, damit verbundene Risiken, vorgeschlagene Anlagestrategien, Ausführungsplätze sowie alle Kosten und Nebenkosten.

Konkret bedeutet das: Infos über Gesamtkosten und die kumulative Wirkung der Kosten auf die Rendite müssen für den Kunden zusammengefasst werden. Auf Verlangen sind alle voraussichtlich anfallenden Kosten sogar detailliert nach einzelnen Posten aufzuschlüsseln. In laufenden Geschäftsbeziehungen müssen Kostenaufstellungen regelmäßig, mindestens jährlich erfolgen.

Neue Regeln zu Interessenkonflikten und Vergütung sowie Provisionen

Deutlich strengere Regelungen gibt es zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten sowie zur Ausgestaltung der Vergütung. Statt Kunden nur auf etwaige Interessenkonflikte hinzuweisen, sollen Finanzanlagenvermittler künftig alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um solche Konflikte zu vermeiden. Für den Fall, dass sich „nach vernünftigem Ermessen nicht gewährleisten lässt, dass keine Beeinträchtigung der Interessen des Anlegers riskiert wird“ – müssen Gewerbetreibende dem Kunden künftig die Quellen des Interessenkonflikts offenlegen.

Die Vergütung darf einem Handeln des Vermittlers im bestmöglichen Kundeninteresse nicht entgegenstehen. Zuwendungen dürfen auch weiterhin vereinnahmt werden, müssen aber offengelegt werden und dürfen sich nicht nachteilig auf die Qualität der Vermittlung und Beratung auswirken.

Geeignetheitserklärung

Entsprechend MiFID II kommt bei Anlageberatungen der Wechsel vom Beratungsprotokoll zur Geeignetheitserklärung. D.h. vor Abschluss des Vertrages muss – auf einem dauerhaften Datenträger – die erbrachte Anlageberatung genannt und erläutert werden, wie diese auf Präferenzen, Anlageziele und sonstige Merkmale abgestimmt wurde. Sofern der Gewerbetreibende dem Anleger eine regelmäßige Beurteilung der Geeignetheit der empfohlenen Finanzanlagen angeboten hat, müssen auch die Geeignetheitsberichte regelmäßig zur Verfügung gestellt werden.

Aufsicht

Im Unterschied zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthält der aktuelle Entwurf der FinVermV keine Regelung, dass 34f-Vermittler unter BaFin-Aufsicht gestellt werden.

Ergänzte Anforderungen an die Sachkundeprüfung

Die Anforderungen an die Sachkundeprüfung werden inhaltlich ergänzt um die in der Verordnung neu geregelten Pflichten des Gewerbetreibenden zu Interessenkonflikten, Vergütungspolitik und Aufzeichnung von telefonischen Vermittlungs- und Beratungsgesprächen sowie elektronischer Kommunikation.

Fazit:

Hinsichtlich der Regelungen des FinVermV-Entwurfs gilt: Vieles kam erwartet, manches erscheint unverhältnismäßig, weil freie Vermittler eben nicht eins zu eins Instituten vergleichbar sind.
Für Einzelkämpfer unter den freien Vermittlern bedeutet etwa die neue Aufzeichnungspflicht Hürden, die nur über teure externe Dienstleister genommen werden können. Denn im Unterschied zu vielen Instituten verfügen sie über keinen eigenen IT-Bereich mit der nötigen Manpower und entsprechendem Know-how. Für sie bleibt praktisch nur die Vermittlung im persönlichen Gespräch, das weiterhin schriftlich protokolliert werden darf. Kritisch zu sehen ist auch die fünf- (maximal sieben-) jährige Aufbewahrungspflicht für Aufzeichnungen, die hinter der zehnjährigen allgemeinen Verjährungsfrist zurückbleibt.

In Sachen Zielmarkt macht der Entwurf für 34f GewO-Vermittler strengere Vorgaben als MiFID II. Denn die Richtlinie erlaubt den Verkauf von Produkte auch außerhalb der Zielmärkte, wenn angemessene Gründe vorliegen. Für KWG-regulierte Vermittler wurde dies umgesetzt. Für 34f-Vermittler gibt es dagegen keine Ausnahmen, die ein Überschreiten von Zielmarktgrenzen erlauben.
Bei der Kostendarstellung gleicht der FinVermV-Entwurf die Anforderungen für 34f GewO-Vermittler an jene für KWG-regulierte Marktteilnehmer an. Dasselbe gilt für die Vorgaben zu Interessenkonflikten und zur Vergütungsstruktur.

Heiß umstritten war im Rahmen der MiFID II-Umsetzung die Frage, ob Vermittler zukünftig noch an Provisionen verdienen dürfen – oder ob sie Zuwendungen nur zur Qualitätsverbesserung ihrer Leistungen verwenden dürfen. Diesbezüglich gibt der Entwurf jedenfalls erst einmal Entwarnung für Vermittler. Im Unterschied zu Banken oder Haftungsdächern mit § 32 KWG-Erlaubnis sollen 34f-Berater weiterhin Zuwendungen vereinnahmen dürfen, ohne dass sie diese durch qualitätsverbessernde Maßnahmen rechtfertigen müssen.

Mit einem Inkrafttreten ohne Übergangsfrist ist angesichts der verzögerten Umsetzung wohl zu rechnen.

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