Eine zeitgemäße Form der Finanzierung

 

 

 

FINANCE Sonderbeilage TOP-Kanzleien März/April 2023
von Dr. Matthias Gündel

Für den Einsatz der verheißungsvollen Distributed-Ledger-Technologie im Wertpapierbereich fehlten lange Zeit die rechtlichen Grundlagen. Damit ist nun Schluss.

Seit dem 9. Juni 2021 können auch in Deutschland digital verbriefte Wertpapiere unter Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT), insbesondere der Blockchain, rechtsicher im Wege öffentlicher Angebote begeben werden. Lange hatte es an einer systematischen und vollständigen Regelung für elektronische Wertpapiere gefehlt.

Denn in Deutschland bestand das Erfordernis der Verbriefung von Wertpapieren in effektiven Urkunden (Effekten) und deren Hinterlegung bei der zentralen Verwaltungsstelle Clearstream zur Girosammelverwahrung. Nicht verbriefte Rechte, sogenannte Wertrechte, konnten nur von der öffentlichen Hand begeben werden.
Die Folge war, dass die Nutzung eines Security Token Offering (STO) zum Zwecke der Unternehmensfinanzierung mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten verbunden war – einerseits für Unternehmer in Bezug auf die Emissionsvoraussetzungen, andererseits für Investoren in Hinblick auf Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Damit ist nun Schluss.

Mit der Novellierung der bei STOs zu beachtenden Bestimmungen des Prospektrechts, der Börsenzulassung, des Depotgesetzes und mit der Verabschiedung des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) wird kapitalsuchenden Unternehmen ein weiterer rechtsicherer Finanzierungsweg eröffnet – sowohl innerhalb Deutschlands, als auch grenzüberschreitend.

Digitale Wertpapiere

Bei den digitalen Wertpapieren (Token) ist zunächst zwischen elektronischen Wertpapieren (eWp) im Sinne des eWpG und anderen – nicht vom eWpG erfassten – digitalen, nicht verbrieften Wertpapieren zu unterscheiden. Ein elektronisches Wertpapier nach dem eWpG zeichnet sich dadurch aus, dass der Emittent anstelle der Ausgabe des verbrieften Wertpapiers die Eintragung in ein elektronisches Register bewirkt. Das Register kann als zentrales Register oder als Kryptowertpapierregister geführt werden, sodass je nach Art der Registerführung zwischen Zentralregisterwertpapier und Kryptowertpapier unterschieden wird.
Diese Unterscheidung ist für die mit dem Token verbundenen Rechte ohne Bedeutung, aber für die aufsichtsrechtliche Erlaubnis des Registerführers von Belang. In das Register sind unter anderem die mit dem elektronischen Papier gewährten Rechte, das Emissionsvolumen, der Nennbetrag und Emittent sowie Inhaber einzutragen.

Taugliche Inhaber sind entweder der Investor (Einzeleintragung) oder eine Wertpapiersammelbank (Sammeleintragung). Zusätzlich sind die Emissionsbedingungen gesondert bei der registerführenden Stelle zur kostenlosen Ausgabe bereit zu halten. Gleiches gilt für deren nachträgliche Änderungen, die nur in den gesetzlich geregelten Fällen zulässig sind.

Beschränkte Anwendbarkeit

Ein Manko ist derzeit, dass elektronische Wertpapiere bisher nur in Form von Inhaberschuldverschreibungen ausgegeben werden dürfen. Erfasst sind Unternehmens- und Wandelanleihen genauso wie Pfandbriefe, Geldmarktinstrumente, ASB, CBD, ETF und Anleihen der öffentlichen Hand, aber auch Namensschuldverschreibungen, die auf eine Wertpapiersammelbank lauten – sprich Globalanleihen, die sowohl in Deutschland, als auch den USA zum Handel zugelassen sind.
Von Ende 2021 bis heute wurden circa 20 STOs mittels elektronischer Wertpapiere in Deutschland durchgeführt. Neben der Dekabank, der Deutschen Bank und der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe zählen derzeit vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zu den Emittenten elektronischer Wertpapiere. Die Angebote der Banken dienten vornehmlich dazu, die eingesetzten technischen Systeme und Softwareanwendungen zu testen.

Sollen dagegen Aktien oder aktienähnliche Wertpapiere über Token emittiert werden, können diese als digitales, nicht elektronisch verbrieftes Wertpapier begeben werden. Die Registerführung übernimmt dann der Emittent selbst, um die Token-Ausgabe, Zahlungen und gegebenenfalls die Rücknahme der Token abwickeln zu können. Hier ist der Markt weniger übersichtlich. Der Grund: Neben STOs für vorbörsliche Aktien werden unter anderem auch üblicherweise nicht wertpapierverbriefte Beteiligungen, wie zum Beispiel Kommanditanteile, digital als übertragbare Wertpapiere ausgestaltet und öffentlich angeboten, um prospektrechtliche Vorteile gegenüber Vermögensanlageangeboten nutzen zu können.

Einheitliche Emissionsanforderungen

Emissionsrechtlich gelten für elektronisch Wertpapiere und andere digitale Wertpapiere dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie bei klassischen Emissionen. Private Placements und öffentliche Emissionen sind genauso zulässig.

Bei Emissionen ab einem Volumen von 8 Millionen Euro besteht Prospektpflicht. Prospektfreie Emissionen auf Basis eines Wertpapierinformationsblattes müssen lediglich besondere Pflichtangaben erfüllen.
Bei bisherigen Emissionen war es rechtlich erforderlich, zunächst ein effektives Wertpapier in Papierform zur Erfassung im sogenannten Effektengiro für die Depoteinbuchung über die Girosammelverwahrung zu begeben oder – in seltenen Fällen – als effektives Stück direkt an den Anleger. Die Verbriefung führte zu einem erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bei der Begebung, Übertragungen, Zahlungsabwicklungen und Investor Relations mit Kosten für Verwahrer, Zahlstelle und Bekanntmachungen.

Bei elektronischen Wertpapieren fällt der Zentralverwahrer weg, so dass keine Kosten für die Verwahrung und geringere Kosten für Übertragungen und Zahlungsdurchführungen anfallen. Übertragungen erfolgen in Echtzeit. Damit können aus Unternehmenssicht neue Investorenkreise angesprochen werden – insbesondere die DLT-/Blockchain-affin sind und derzeit vornehmlich in Crowdfunding-Angebote investieren.

Die Emission elektronischer Wertpapiere ist insgesamt eine zeitgemäße Form der Unternehmensfinanzierung, die neben die „klassische“ Effektenemission tritt. Elektronische und andere digitale Wertpapiere sind damit zwar nicht „das“ Instrument der Zukunft, doch sie bieten Unternehmen eine Möglichkeit der Finanzierung, mit der geringere Kapital- und Kapitalbeschaffungskosten verbunden sind – bei gleichzeitig kostengünstigeren Transaktionen am Zweitmarkt.

 

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