Der Countdown für europäisches Crowdfunding läuft

Von Dr. Matthias Gündel und Christina Gündel
in ERNEUERBARE ENERGIEN 03/2023 S. 24f.

Am 10. November 2021 trat die EU-Crowdfunding-Verordnung (European Crowdfunding Service Provider Regulation, kurz: ECSP-VO) in Kraft. Für bei Inkrafttreten bereits bestehende Crowdfunding-Geschäftsmodelle gibt es eine Übergangsfrist für die Anwendung der Verordnung.  Diese läuft am 10. November 2023 ab. Wer muss jetzt wie handeln?

Adressat der Verordnung sind sog. Schwarmfinanzierungsdienstleister. Das sind Betreiber einer öffentlich zugänglichen digitalen Plattform, um potenzielle Anleger oder Kreditgeber mit Unternehmen zusammen zu führen, die sich Finanzmittel für Projekte oder eine Geschäftsidee beschaffen wollen.
Die ECSP-VO schafft erstmalig einheitliche Regeln im gesamten EU-Binnenmarkt. Plattform-Betreiber können nun Dienstleistungen nach der ECSP-VO europaweit anbieten. Dafür benötigen sie eine Erlaubnis als Schwarmfinanzierungsdienstleister.

Welche Crowdfunding-Plattformen benötigen mit Ablauf der Übergangsfrist eine EU-Erlaubnis nach Art. 12 ECSP-VO, um weiter tätig sein zu können?

Erbringt die Plattform Dienstleistungen im Anwendungsbereich der EU-Verordnung, muss der Betreiber eine Erlaubnis nach Art. 12 ECSP-VO beantragen. Gemäß Art. 2 ECSP-VO sind folgende Tätigkeiten erfasst:

■ die Vermittlung von unbedingt rückzahlbaren Krediten und
■ die Vermittlung/ Platzierung von übertragbaren Wertpapieren i.S.v. MiFID II, wie Aktien, Anleihen
oder Genussscheine.

Wichtig ist: Für diese Plattform-Dienstleistungen ist eine EU-Erlaubnis auch dann erforderlich, wenn diese nur national und nicht grenzüberschreitend/EU-weit angeboten werden.

Rechtsunsicherheit besteht derzeit noch, ob auch die Vermittlung/ Platzierung von Token von der Verordnung umfasst sind.

Dafür spricht, dass die BaFin Security-Token als Wertpapiere einstuft. Würde man Token als MiFID II-Wertpapier qualifizieren, wäre ihre Vermittlung bzw. Platzierung von der ECSP-VO umfasst. Eher dagegen spricht Erwägungsgrund 15 der ECSP-VO, wonach sich “die Merkmale virtueller Krypto-Token erheblich von den in der Verordnung geregelten Schwarmfinanzierungsdienstleistungen unterscheiden“. Wie „virtuelle Krypto-Token“ von Wertpapieren abzugrenzen sind, regelt die VO nicht.

Außerhalb des Anwendungsbereichs der ECSP-VO tätige Plattformen benötigen – auch nach Ablauf der Übergangsfrist – keine Erlaubnis nach Art. 12 ECSP-VO.  

Sie können also weiterhin tätig sein mit deutscher Erlaubnis nach:

■ § 32 KWG bzw. § 15 WpIG oder
■ § 34f GewO (i.V.m. § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 11 WpIG) und
■ ggf. nach § 10 Abs. 1 S. 1 ZAG.

Plattformen, die in Deutschland weiter qualifiziert nachrangige Darlehen vermitteln, benötigen keine Erlaubnis nach EU-VO. Denn Nachrangdarlehen stellen mangels einer unbedingten Rückzahlungsverpflichtung keine Kredite im Sinne der ECSP-VO dar. Sie fallen auch künftig unter das Vermögensanlagengesetz und können mit Erlaubnis nach § 34f GewO vermittelt werden.

Wann greift eine doppelte Erlaubnispflicht?

Crowdfunding-Plattformen, die Crowdfunding-Dienstleistungen außerhalb des Anwendungsbereichs der ECSP-VO und parallel Dienstleistungen nach ECSP-VO erbringen, müssen zusätzlich zur deutschen Erlaubnis eine Erlaubnis nach Art. 12 ECSP-VO beantragen.

Crowdfunding-Plattformen mit EU-Erlaubnis benötigen für die Vermittlung von Wertpapieren im Sinne von MiFID II, wie Aktien, Anleihen und Genussscheinen keine zusätzliche Zulassung nach MiFID II bzw. nationalen Umsetzungsgesetzen.

Prospekt – und Offenlegungspflichten

EU-weit zulässig sind öffentliche Angebote von bis zu 5 Mio. Euro ohne Prospekt. Plattformbetreiber müssen potenziellen Anlegern für jedes Angebot ein vom Projektträger erstelltes Anlagebasisinformationsblatt zur Verfügung stellen.

 

 

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