Was Vermittler bei Produktanbietern stutzig machen sollte

 

 

 

Das INVESTMENT.com,  26.09.2019
von Jan Barufke

Größere Anlageskandale um die Anbieter PIM Gold und P&R beschäftigen aktuell die Gerichte. Rechtsanwalt Jan Barufke (GK-law.de) erinnert daran, welche grundlegenden Pflichten Vermittler bei der Vermittlung von Beteiligungen beachten sollten, um Haftungsansprüche zu vermeiden.

Der Anlageberater schuldet eine objekt- und anlegergerechte Beratung. Er ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht nur verpflichtet, Anlegerinformationen wie Verkaufsprospekte darauf zu prüfen, ob sich aus ihnen ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt ergibt und ob die enthaltenen Informationen, sachlich richtig und vollständig sind – soweit er das mit zumutbarem Aufwand feststellen kann. Seine Verpflichtungen gehen über diese Plausibilitätsprüfung sogar noch hinaus.

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab. Darunter fallen zum einen Wissensstand, Risikobereitschaft und Anlageziel des Kunden und zum anderen die allgemeinen und speziellen Risiken des Anlageobjekts. Dabei muss sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGH XI ZR 130/13, Urt. v. 29. April 2014). Eine Anlage, die er empfehlen will, muss der Berater mit kritischem Sachverstand prüfen oder aber seinen Kunden auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen.

Ob derartige Pflichten im Einzelfall beachtet worden sind, wird die Gerichte in absehbarer Zeit in zwei größeren Anlageskandalen beschäftigen. Zum einen ist da der 2018 akut gewordene Fall der P&R-Gruppe und zum anderen, sehr aktuell, der Fall PIM Gold. Die PIM-Gold-Unternehmungen mit Sitz in Heusenstamm im Landkreis Offenbach sollen nach den Vorwürfen der Ermittler ein Schneeballsystem betrieben haben. Den Kunden, die über das Unternehmen Gold erwarben, wurden hohe Renditen versprochen, wenn sie auf die Aushändigung des physischen Goldes verzichteten. Allerdings soll laut den Strafverfolgern – das von den Kunden erworbene Gold zum Großteil gar nicht vorhanden sein.

Berater und Vermittler in der Schusslinie

In beiden Fällen werden es voraussichtlich die Vermittler und Berater sein, bei denen geschädigte Anleger meinen, nicht nur Schadensersatz erstreiten, sondern aufgrund der vermuteten Solvenz ihrer Berater und Vermittler auch rein praktisch durchsetzen zu können. Was die Fonds selbst und die Fonds-Verantwortlichen betrifft, steht – Pressemeldungen zufolge – zu befürchten, dass der Großteil der Anleger sein Geld nicht zurückholen kann.

Hinsichtlich der PIM-Gold-Anleger haben Anlegerschutzkanzleien sich bereits in zahlreichen Veröffentlichungen zwecks Information und Gewinnung potenzieller Mandanten positioniert. Hier wird unter anderem behauptet, dass „die meisten“ PIM-Gold-Anleger entweder überhaupt nicht oder aber nicht in ausreichender Form über die Goldanlage informiert und aufgeklärt worden seien. Eine recht pauschale Behauptung, die sich zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich weder beweisen noch widerlegen lässt. Rein praktisch dürften aber die meisten geschädigten Anleger tatsächlich den Weg zu den Anlegerschutzkanzleien suchen.

Vermittlerfreundliches Urteil des LG Mainz

Tatsächlich hat aber jüngst ein Urteil des Landgerichts Mainz aufhorchen lassen. Demnach können sich Vermittler und Berater im P&R-Skandal durchaus erfolgreich gegen die Inanspruchnahme durch ihre Kunden wegen (angeblich) fehlerhafter Aufklärung wehren. Denn die Forderung, die Vermittler hätten erkennen müssen, dass die P&R-Kunden, anders als ausgelobt, kein Eigentum an den P&R-Containern erwarben, hätte eine komplizierte sachenrechtliche Prüfung vorausgesetzt. Eine solche sei vom Vermittler aber nicht geschuldet gewesen. Noch handelt es sich jedoch nur um eine erstinstanzliche, nicht rechtskräftige Entscheidung.

Sowohl der Fall PIM Gold als auch P&R dürften bei Vermittlern und Beratern unschöne Erinnerungen an den Skandal um die sogenannte BWF-Stiftung wecken. Denn auch hier war Privatanlegern angeboten worden, physisches Gold zu erwerben, sich dieses aber nicht zugleich, sondern erst am Laufzeitende aushändigen oder sich in Geld auszahlen zu lassen. Für die Stiftungsverantwortlichen war dies anscheinend der Weg, den Kauf physischen Goldes vorzutäuschen. Nach der Insolvenz des Trägervereins Bund Deutsche Treuhandstiftungen stellte sich heraus, dass von den BWF-Kunden angeblich erworbenes Gold tatsächlich zum Großteil gar nicht vorhanden war. Anlageberater und -Vermittler wurden in der Folgezeit von ihren Kunden zum Teil erfolgreich in Anspruch genommen: Die Gerichte waren in zahlreichen Fällen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berater und Vermittler weder auf das Totalverlustrisiko hingewiesen noch eine ausreichende Plausibilitätskontrolle hinsichtlich des BWF-Geschäftsmodells unternommen hätten.

Für Berater und Vermittler folgt – nicht nur aus diesen drei Fällen –, dass sämtliche Vertrags- und Informationsunterlagen des Fondsanbieters stets genauestens zu prüfen sind.

Wo alle Alarmglocken schrillen sollten

Von Produkten, die wie etwa die BWF-Goldanlange mit eher nichtssagenden, oberflächlichen Exposés beworben werden, sollten Vermittler und Berater lieber die Finger lassen. Die hier vom Anbieter ausgegebenen Unterlagen versetzten Vermittler und Berater nicht wirklich in die Lage, das Angebot auf Plausibilität zu prüfen.

Besondere Vorsicht ist bei hohen Renditeversprechen geboten. Derartige Angebote sollten im Grunde nicht nur Anleger, sondern gerade auch Vermittler per se stutzig machen. Der Vermittler und Berater sollte sehr genau prüfen, ob er nachvollziehen kann, aus welchen Gründen etwa ein Fondsanbieter überdurchschnittliche Rendite bei gleichzeitig überschaubarem Risiko in Aussicht stellen möchte. Eine Prüfung, die dem Kunden nicht selbst überlassen werden kann – denn vor Gericht kann ein Kunde auch Jahre nach Vertragsschluss und auch bei offenkundig unplausiblen Versprechen im Schadensfall den Ahnungslosen geben.

Vorsicht geboten ist ohnehin, wenn Prospekte mit Begriffen wie „Garantie“ oder „Sicherheit“ locken. Sofern bedingungslose Rückzahlungen an Anleger oder vorbehaltlose Zinsversprechen gemacht werden, sollten bei Vermittlern oder Beratern die Alarmglocken schrillen – nicht nur, weil das Anlagemodell eventuell unplausibel ist. Der Fondsanbieter und die dahinter stehenden Personen könnten möglicherweise entgegen den Regeln des Kreditwesengesetzes (KWG) handeln und unerlaubtes Einlagengeschäft betreiben. Da solche Geschäfte auf Geheiß der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) häufig rückabzuwickeln sind, geht der Fonds mangels entsprechender Liquidität dann regelmäßig in Insolvenz. Mit der Folge, dass die geschädigten Kunden sich in diesen Fällen an die Vermittler wenden werden – meist eben mit dem Vorwurf, über die Erlaubnispflicht und damit die schlichte Illegalität der Geschäfte des Anbieters nicht aufgeklärt worden zu sein.

Anlegeranwälte in den Startlöchern

In allen drei genannten Beispielsfällen kamen beziehungsweise kommen Vermittler und Berater aber im Wesentlichen aufgrund unredlicher Geschäfte Dritter, der Fondsverantwortlichen, in die Bredouille. Sowohl im Fall PIM Gold als auch im Falle BWF hatte der einzelne Kunde darauf verzichtet, sich das angeblich von ihm erworbene Gold aushändigen zu lassen. Initiiert wurde hier also ein Geschäftsmodell, das es jedenfalls grundsätzlich ermöglichte, hinter dem Rücken der Kunden auf die tatsächliche Anschaffung von Goldbeständen zu verzichten.

Ein sorgfältiger Vermittler oder Berater sollte sich bei derartigen Geschäften fragen, warum seine Kunden ausgerechnet diesen Weg zum Edelmetallkauf wählen sollten – wenn eine Investition in Edelmetalle und der Ankauf mit direkter physischer Aushändigung anderswo problemlos möglich ist.

Wenn das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen ist, das heißt der Vermittler oder Berater mit Schadensersatzansprüchen konfrontiert wird, wird er nicht umhin kommen, seinerseits eine versierte Anwaltskanzlei mit der Wahrung seiner Interessen zu beauftragen. Zu beachten ist, dass bei allen medienwirksamen Anlageskandalen stets eine Vielzahl etablierter Anlegerschützer auf den Plan tritt. Gegen deren Anspruchsschreiben sollten sich Vermittler oder Berater mit zur gleichen Waffen zur Wehr setzen.

 

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