Nachrangvereinbarung bewahrt nicht automatisch von Kapitalertragsteuer-Abzugsverpflichtung

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01. Januar 1970 | Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 12. Juni 2020 ein Urteil zur Steuerpflichtigkeit von Erträgen aus Genussrechtsbeteiligungen veröffentlicht.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 12. Juni 2020 ein Urteil zur Steuerpflichtigkeit von Erträgen aus Genussrechtsbeteiligungen veröffentlicht.

Wesentliche Leitsätze sind:

1. Genussrechte führen nur dann zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Genussrechtsinhaber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist (sog. beteiligungsähnliche Genussrechte).

2. Für die Beteiligung am Liquidationserlös ist auf das Abwicklungsendvermögen i.S. des § 11 KStG, d.h. auf die Beteiligung an einem etwaigen Liquidations(mehr)erlös und die damit verbundene Beteiligung des Genussrechtsinhabers an den stillen Reserven abzustellen, nicht hingegen auf die Gewinnabhängigkeit der Genussrechtsausschüttungen, die Stellung eines Alleingesellschafters, die lange Laufzeit des Genussrechts oder auf ein Wandlungsrecht des Genussrechtsinhabers zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen, selbst wenn dessen Ausübung wahrscheinlich ist.

Sachverhalt: Streitig war die Frage, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr (2005) aus zwei konzerninternen Finanzierungsstrukturen steuerfreie Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung, oder steuerpflichtige Zinsen erzielt hat. Zum einen geht es um Genussrechtsausschüttungen einer kanadischen Tochtergesellschaft, zum anderen um Vorzugsdividenden einer amerikanischen Ur-Enkelgesellschaft.

Urteil: Bei den Genussrechtsausschüttungen handelt es sich nicht um steuerfreie Beteiligungserträge der Klägerin i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EstG, sondern um steuerpflichtige Zinsen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Denn gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben lediglich Bezüge aus "Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist", steuerfrei.

Nach seinem klaren Wortlaut erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG - ebenso wie § 8 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 KStG - nur diejenigen Genussrechte, bei denen der Genussrechtsinhaber sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist. Nur wenn beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, vermitteln die Genussrechte aus steuerrechtlicher Sicht eine gesellschafterähnliche Rechtsstellung, die zu Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt. Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, liegen (nur aus steuerlicher Sicht) dagegen keine beteiligungsähnlichen, sondern obligationsähnliche Genussrechte vor, aus denen Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt werden.

Für die das Genussrecht emittierende Kapitalgesellschaft regelt § 8 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 KStG entsprechend, dass "Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist", nicht das Einkommen dieser Kapitalgesellschaft mindern.

Genussrechte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG können im Übrigen auch an Kapitalgesellschaften bestehen, die nach ausländischem Recht errichtet worden sind.

Im Streitfall hatte die Klägerin keine gesellschafterähnliche Rechtsstellung. Denn es fehlte eine Beteiligung der Klägerin am Liquidationserlös. Hierfür sind weder die gewinnabhängigen Genussrechtsausschüttungen noch die Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin, die lange Laufzeit der Genussrechte oder das unter bestimmten Voraussetzungen vereinbarte Wandlungsrecht ausreichend.

Beim Kriterium der Beteiligung am Liquidationserlös ist auf das Abwicklungsendvermögen i.S. des § 11 KStG, d.h. auf die Beteiligung an einem etwaigen Liquidations(mehr)erlös und die damit verbundene Beteiligung des Genussrechtsinhabers an den stillen Reserven abzustellen. Anderenfalls hat der Genussrechtsinhaber keine mit einem Gesellschafter vergleichbaren Vermögensrechte. Eine bloße Nachrangvereinbarung, durch die der Genussrechtsinhaber im Liquidationsfall hinter die übrigen Gläubiger zurücktritt, ist nicht ausreichend.

Dass die Klägerin durch die gewinnabhängige Vergütung an den im laufenden Geschäftsverkehr aufgedeckten stillen Reserven beteiligt ist, reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gerade nicht aus, um ein Genussrecht mit Beteiligungscharakter anzunehmen.

Vielmehr ist zusätzlich die Beteiligung am Liquidations(mehr)erlös erforderlich. Im vorliegenden Streitfall ist hingegen nach der Genussrechtsvereinbarung nur eine Rückzahlung des Genussrechtskapitals zum Nennbetrag vorgesehen. Dies gilt sowohl für den Fall einer Liquidation als auch für jeden anderen Fälligkeitszeitpunkt.

Praxisauswirkungen: Das Urteil des BFH hat auch hohe Relevanz für Emittenten, die ihre Geschäftstätigkeit nicht mit Genussrechten, sondern mit nachrangigen Darlehen als finanzieren. Denn aus steuerlicher Sicht ist Nachrang nicht gleich Nachrang. Stattdessen ist eine einfache Nachrangklausel - wie dargestellt - nicht wie eine qualifizierte Nachrangklausel zu behandeln. Während bei Darlehen mit einfacher Nachrangklausel keine Pflicht zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer besteht, ist diese Frage für qualifiziert nachrangige Darlehen noch nicht abschließend geklärt.

Mit einem qualifizierter Rangrücktritt wird die Geltendmachung sämtlicher Forderungen eines Investors gegen den Emittenten (z.B. Rückzahlung des Darlehensbetrages oder auf Zahlung der Zinsen) ausgeschlossen, wenn und soweit die Geltendmachung der Ansprüche zu einem Insolvenzgrund beim Unternehmen führen würde. Damit ist aus steuerlicher Sicht eine Liquiditätsabhängigkeit und damit eine Erfolgsabhängigkeit gegeben. Eine solche Erfolgsabhängigkeit kann im Einzelfall die Annahme rechtfertigen, dass ein festverzinsliches Darlehen mit qualifizierter Rangrücktrittsklausel steuerrechtlich ein partiarisches Darlehen darstellt und damit eine Einbehaltspflicht für Kapitalertragsteuer besteht.

Kennzeichnend für Begriff und Wesen eines partiarischen Rechtsverhältnisses aus steuerlicher Sicht ist, dass die Zinsen nicht --oder nicht nur-- in einem festen periodischen Betrag besteht, sondern erst dann zur Zahlung fällig sind, wenn das Unternehmen über ausreichende Liquidität verfügt. Eine Beteiligung am Gewinn ist dafür nicht zwingend erforderlich. Denn wenn das Unternehmen nur ein bestimmtes Geschäft abwickelt oder nur ein einziger Vermögensgegenstand erworben und bewirtschaftet wird, ist insbesondere dann, wenn dieses Geschäft durch die Darlehen finanziert worden ist, eine für partiarische Darlehen charakteristische Erfolgsbeteiligung gegeben. Für Emittenten solcher qualifizierter Nachrangdarlehen bedeutet dies: Sie sind als Schuldner der Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 44 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer verpflichtet.

Praxistipp: Betreiber von Schwarmfinanzierungsplattformen, über die solche Vermögensanlagen vermittelt werden, sollten Kunden und Emittenten auf eine etwaige Abzugsverpflichtung hinweisen, um im Schadensfall nicht als Betreiber mitverantwortlich gemacht zu werden.



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