BGH urteilt zu unwirksamer Rangrücktrittsklausel in AGB eines Vermögensanlagevertrags
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10. Februar 2020 | Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung zur AGB-Kontrolle von Nachrangklauseln geurteilt, dass eine Rangrücktrittsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz2 BGB) unwirksam ist, wenn diese nicht hinreichend verdeutlicht, dass der Darlehensgeber ein über das allgemeine Insolvenzrisiko hinausgehendes unternehmerisches Risiko übernimmt und es zu einer dauerhaften Aussetzung jeglicher Rückzahlung kommen kann.
Sachverhalt: Die Klägerin nimmt den Beklagten (Vorstandsmitglied einer AG) im Zusammenhang mit einem Vermögensanlagevertrag auf Schadensersatz in Anspruch. Die AG bot – ohne Erlaubnis nach § 32 KWG - ein Anlagemodell an, wonach der Anleger ihr seine Ansprüche aus Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungen, verkaufen sollte. 2009 kaufte sie die Rechte der Klagepartei aus zwei Lebensversicherungsverträgen unter Einbindung eines Treuhänders. Nach einer Anhörung Im Februar 2011 vertrat die BaFin die Auffassung, das betriebene Anlagemodell sei erlaubnispflichtig. Am 17.3.2011 vereinbarte die Beklagte mit der Klägerin eine rückwirkende Aufhebung der Kaufverträge. Die Rückabwicklungsverträge sahen die Überweisung der Differenz zwischen den von der AG realisierten Rückkaufswerten und den zwischenzeitlich von ihr erbrachten Zahlungen auf das Konto eines Treuhänders vor. Zahlungen an die Klägerin erfolgten bis November 2014. Etwas später wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG. eröffnet. Die rückabzuwickelnden Vermögensanlageverträge enthielten u.a. eine Regelung zum Rangrücktritt.
Das AG Berlin-Spandau (Az. 6C36416 6 C 364/16) hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das LG Berlin (Az.3S117 3 S 1/17) hat das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung des Bekl. abgeändert und die Klage abgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und zur Entscheidung an das LG Berlin zurückverwiesen.
Rechtslage: Da es sich bei den Vermögensanlagebedingungen um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt stellt sich immer die Frage, ob diese einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhalten. Hinsichtlich der Wirksamkeit von Nachrangklauseln wird dabei geprüft, ob die Klauseln für den Anleger überraschend sind oder ihn unangemessen benachteiligen. Ist dies der Fall, ist die Klausel unwirksam und die Forderungen der Anlegerin wären nicht nachrangig zu befriedigen.
Urteil: Die AG hat durch Annahme der auf Veranlassung der Klägerin von dem Treuhänder überwiesenen Anlagebeträge Bankgeschäfte im Sinne der Alt. 2 des § KWG § 1 KWG § 1 Absatz I 2 Nr. KWG § 1 Absatz 1 Nummer 1 KWG betrieben. Die von ihr angenommenen Gelder waren unbedingt rückzahlbar im Sinne dieser Bestimmung. Denn die Rangrücktrittsklausel ist wegen Verstoßes gegen das in § BGB § 307 BGB § 307 Absatz I 2 BGB normierte Transparenzgebot unwirksam. Die Bestimmungen der Rangrücktrittsklausel waren nicht klar und verständlich. Abzustellen ist auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Hieraus ergab sich eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin i.S.v. § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB.
Die von der Beklagten verwendeten Vertragsformulare zielen auf den Abschluss qualifizierter Nachrangdarlehen ab. Die Verwendung einer derart qualifizierten Nachrangabrede in einem Darlehensvertrag verleiht dem darlehenshalber überlassenen Betrag den Charakter von Risikokapital. Sie kann dazu führen, dass sämtliche Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Darlehen dauerhaft nicht durchsetzbar sind. Zugleich bewirkt sie eine Wesensänderung der Geldhingabe vom bankgeschäftstypischen Darlehen mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung hin zur unternehmerischen Beteiligung mit einer eigenkapitalähnlichen Haftungsfunktion.
Diese mit der Verwendung der streitgegenständlichen Rangrücktrittsklausel verbundenen besonderen Risiken erschließen sich einem durchschnittlichen Privatanleger ohne juristische und kaufmännische Vorbildung nicht. Insbesondere die weitreichenden Auswirkungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre werden nicht hinreichend deutlich erläutert. Die Bestimmung macht nicht ausreichend klar und verständlich erkennbar, dass der Darlehensgeber mit der Vermögensanlage ein über das allgemeine Insolvenz-ausfallrisiko hinausgehendes unternehmerisches Risiko übernimmt, dessen Realisierung er mangels Mitwirkungs- und Kontrollrechten in keiner Weise beeinflussen kann. Aufgrund der unmittelbar vor der Rangrücktrittsklausel befindlichen Bestimmungen zur festen Laufzeit und zu den monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen tritt für die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht hinreichend deutlich zutage, dass es zu einer dauerhaften Aussetzung jeglicher Zahlung kommen kann.
BGH, Urteil vom 1.10.2019 – VI ZR 156/18
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