BGH bestätigt erneut Rechtsprechung zum Vorrang spezialgesetzlicher Prospekthaftung
- Kategorie: Aktuelles, Newsletter
13. April 2023 | In seinem Beschluss vom 13.12.2022 bekräftigt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs: Für Schadenersatzansprüche wegen Verwendung eines fehlerhaften Prospekts gilt ein absoluter Vorrang spezialgesetzlicher Prospekthaftungsvorschriften. Je nach Anlagetyp sind also z.B. für Wertpapiere Prospekthaftungsvorschriften nach WpPG, für Vermögensanlagen nach VermAnlG und für Investmentvermögen nach KAGB einschlägig - mit dem auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduzierten Verschuldensmaßstab sowie ggf. kürzeren Verjährungsfristen.
In seinem Beschluss vom 13.12.2022 bekräftigt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs: Für Schadenersatzansprüche wegen Verwendung eines fehlerhaften Prospekts gilt ein absoluter Vorrang spezialgesetzlicher Prospekthaftungsvorschriften. Je nach Anlagetyp sind also z.B. für Wertpapiere Prospekthaftungsvorschriften nach WpPG, für Vermögensanlagen nach VermAnlG und für Investmentvermögen nach KAGB einschlägig - mit dem auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduzierten Verschuldensmaßstab sowie ggf. kürzeren Verjährungsfristen.
Allgemein-zivilrechtliche Vorschriften zur sog. „Prospekthaftung im weiteren Sinne“ kommen danach nur noch bei Sachverhaltskonstellationen in Betracht, die gar nicht von der spezialgesetzlichen Prospekthaftung erfasst werden, wie etwa unrichtige mündliche Zusicherungen.
Denn entgegen seiner früher gefestigten Rechtsprechung - schließt der BGH nun eine Alternativität spezialgesetzlicher und allgemein-zivilrechtlicher Anspruchsgrundlagen aus. Absoluter Vorrang bedeute: Sind spezialgesetzliche Prospekthaftungsvorschriften einschlägig, so ist eine allgemein-zivilrechtliche Haftung aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung ausgeschlossen.
Zur Reichweite führt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 13.12.2022 aus: Der Vorrang spezialgesetzlicher Prospekthaftung gelte auch dann, wenn der Anleger seine Beteiligung erst nach Ablauf der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG aF, § 44 Absatz 1 Satz 1 BörsG aF bestimmten Sechs-Monats-Frist gezeichnet hat. Die Verdrängungswirkung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung greife nämlich schon dann, wenn ein Prospektverantwortlicher i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BörsG aF in Anspruch genommen werde; dies setze nicht voraus, dass der Tatbestand des § 44 Abs. 1 BörsG aF vollständig erfüllt sei.
Dies gelte gleichermaßen, wenn Haftungsadressat ein Treuhänderkommanditist ist, der zugleich als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft tätig wurde. Auch dieser sei Prospektveranlasser im Sinne von § 44 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Damit sei eine Prospekthaftung im weiteren Sinne, auf die der Kläger seine Ansprüche stütze, nicht anwendbar.
Konsequenz & Hinweis: Diese neue Rechtsprechung des BGH ist von besonderer Relevanz für zahlreiche laufende Prospekthaftungsverfahren. Denn die Folge ist: Anleger, deren Ansprüche nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung bereits verjährt sind, können diese nicht alternativ auf eine allgemein-zivilrechtliche Anspruchsgrundlage stützen.
Zum Vorrang der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung hatte der XI. Zivilsenat des BGH in derselben Sache erstmals in seinem Beschluss vom 14.06.2022 (Az.: XI ZR 395/21) umfangreiche Ausführungen gemacht – wir berichteten in unserem Newsletter GK-law.de Aktuell Ausgabe Juli/ August 2022.
Unterschiedliche Rechtsauffassungen beim BGH: Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in seinem vorhergehenden Beschluss vom 25.10.2022, II ZR 22/22 eine der Vorrangrechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs widersprechende Rechtsauffassung vertreten. Hierauf nahm der Kläger in einer Zuständigkeitsrüge Bezug – ohne Erfolg. In seinem Beschluss bezeichnete der XI. Zivilsenat die Auffassung des II. Zivilsenats als ein für die Entscheidung nicht tragendes sog. „obiter dictum“ (deutsch: Nebenbei Gesagtes). Laut Geschäftsverteilungsplan sei der XI. Zivilsenat für die Entscheidung über Prospekthaftungsansprüche nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF ausschließlich zuständig und im Rahmen dessen zugleich für Entscheidungen zur Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. Beide Entscheidungen sind nicht zur Revision zugelassen.
Bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsfrage zur Anspruchskonkurrenz nicht doch wegen einer grundsätzlichen Bedeutung für laufende Prospekthaftungsverfahren dem großen Senat des BGH zur Entscheidung vorgelegt wird. Eine einheitliche BGH-Rechtsprechung wäre wünschenswert.
BGH Beschluss vom 13.12.2022 – XI ZB 10/21
ältere Artikel
So erreichen Sie uns direkt!
Kanzlei Gündel & Kollegen
Montag bis Donnerstag: 08:00 bis 18:00 Uhr
Freitag: 08:00 bis 16:00 Uhr
Telefon: 0551-789669-0
E-Mail: info@gk-law.de
Überzeugen Sie sich selbst. Ein erstes, unverbindliches Gespräch ist bei uns kostenfrei. Wir freuen uns auf Sie.